Veröffentlicht am 5/10/2018
Kategorien: Anwendungen

Additive Fertigung mit Metallen und Vakuum-Wärmebehandlungen

Additive Fertigung mit Metallen und Vakuum-Wärmebehandlungen

Die additive Fertigung (AF) ist eines von vielen Verfahren zur Herstellung dreidimensionaler Festkörper auf Grundlage einer digitalen Datei.

Im Unterschied zu subtraktiven Fertigungsverfahren, bei denen das Ausgangsmaterial ein fester Materialblock ist, von dem so lange Material abgetragen wird, bis das Endprodukt fertiggestellt ist, wird bei der additiven Fertigung das Teil (bzw. einzelne Elemente auf Teile) Schicht für Schicht aufgebaut, basierend auf einer Geometrie, die in einem 3D-Design-Modell beschrieben ist.

Schon seit Jahrzehnten werden AF-Verfahren zur schnellen Prototypenentwicklung eingesetzt. In den letzten Jahren hat die additive Fertigung in sämtlichen industriellen Branchen ein unglaubliches Interesse erregt, von Anwendungen für die Luft- und Raumfahrt bis hin zu von Endverbrauchern zuhause hergestellten Unikaten. Diese Technologie bietet eine immense Vielseitigkeit und Flexibilität, weil sie die Schaffung komplexer Geometrien mit individualisierbaren Materialeigenschaften ermöglicht. Die additive Fertigung eröffnet große Freiheiten beim Design. Objekte beliebiger Form und Geometrie können auf der Grundlage von 3D-Modellen oder Design-Eingaben in einen 3D-Drucker mittels eines Computers hergestellt werden.

Die additive Fertigung macht es bei der Verarbeitung von Metallen möglich, leichte Teile in Echtzeit zu entwickeln und zu bauen, da 3D-Modelle direkt mithilfe einer Laserquelle oder eines Elektronenstrahls und eines Pulverbetts gedruckt oder hergestellt werden können. Mittels Metall-3D-Druck können hoch individuell angefertigte Teile mit zusätzlichen verbesserten Funktionen produziert werden, was mit herkömmlichen Verfahren nicht zu erreichen wäre.

Metall-3D-Druck ist eine AF-Technik, die Verfahren wie beispielsweise das selektive Laserschmelzen (SLM) umfasst, bei dem feines Metallpulver Schicht für Schicht geschmolzen wird, um dreidimensionale Metallteile herzustellen. Darüber hinaus ermöglicht das selektive Laserschmelzen insbesondere auch die Herstellung von Komponenten mit Aushöhlungen und Hinterschneidungen, sowie mit dünnen Wänden und versteckten Hohlräumen.

Das selektive Laserschmelzen von Legierungen unterschiedlicher Art erfüllt auf ideale Weise die Anforderungen für leichte Anwendungen, die in Fahrzeugen und bei der Motortechnologie zum Einsatz kommen. Das Mischen unterschiedlicher Rohmaterialien wie zum Beispiel Titan, Aluminium, Edelstahl oder nickelbasierte Legierungen sowie die Entdeckung neuer Legierungen mit unterschiedlichen Stärken und Temperaturbeständigkeiten ist mit herkömmlichen Fertigungsverfahren nahezu unmöglich.

Dieser Artikel soll Ihnen ein besseres Verständnis für das Potenzial vermitteln, das Wärmebehandlungen im Vakuum für 3D-gedruckte Teile bietet, mit einem besonderen Fokus auf SLM von Ti6Al4V.

Additive Fertigung: Vorteile und Funktionsprinzipien

Additive Fertigung ist ein disruptiver technischer Trend, der die Zukunft der verarbeitenden Industrie beeinflussen wird. Laut dem Jahresbericht zu AF von Wohlers Associates, übertrafen im Jahr 2014 die Umsätze der 3D-Druck-Industrie mit additiv gefertigten Produkten und Dienstleistungen die 2,2 Milliarden Dollar. Es wird erwartet, dass der globale Markt für 3D-Druck und -Dienstleistungen bis zum Jahr 2020 ein Volumen von 21 Milliarden Doller übersteigen wird.

Vom Konzept her besteht AF aus einem digitalen CAD-Modell eines Teils, das in einen endkonturnahen dreidimensionales Festkörper umgewandelt wird. Beim selektiven Laserschmelzen (SLM), einer der vielversprechendsten AF-Technologien, wird Metallpulver von einem computergesteuerten, konzentrierten Laserstrahl geschmolzen, um so das gewünschte Teil zu formen. Dieses Verfahren hat im Vergleich zu anderen AF-Technologien eine geringere Aufbaurate, doch die Endprodukte sind feiner und detaillierter.

SLM bietet zahlreiche und vielversprechende Möglichkeiten und Vorteile. Der wichtigste Vorteil besteht darin, dass tatsächlich nur das Material verarbeitet wird, das zur Herstellung des jeweiligen Teils benötigt wird. Daher wird weniger Ausgangsmaterial zur Produktion benötigt. Und im Unterschied zu subtraktiven Fertigungsverfahren gibt es bei AF keine Einschränkungen bezüglich des Design oder der Teilegeometrie. Ohne diese Einschränkungen kann sich der Designer voll und ganz auf die Funktionalität des jeweiligen Teils konzentrieren. Schließlich ermöglicht die additive Fertigung die Entwicklung von Teilen mit sehr kurzen Markteinführungszeiten.

Das Potenzial von Vakuum-Wärmebehandlungen für AF-Teile

Es gibt bereits viele Metalle, die mit der SLM-Methode bearbeitet werden können, unter anderem Titan, Inconel, Aluminium, Stähle und Cobalt-Chrom-Legierungen usw. Üblicherweise wird das SLM-Verfahren in einer inerten Kammer durchgeführt, um die Oxidierung des wärmebeeinflussten Metallpools zu kontrollieren. Da additiv gefertigte Teile endkonturnahe Formen und komplexe Geometrien aufweisen, die mit einer Maschinenbearbeitung nicht erzielt werden könnten, muss in der Regel während der nachgelagerten Verarbeitung nur wenig Material entfernt werden. Daher weisen die fertigen Teile auch keine Spuren einer Entkohlung oder kontaminierte Flächen auf, die bei einer anschließenden thermischen Bearbeitung entstehen würden. Daher ist ein gut gewarteter Vakuumofen, der völlig ohne Sauerstoff betrieben wird, mit Diffusionspumpen zum Erreichen serh hoher Vakuum-Stufen ausgestattet ist und der über eine sehr präzise Temperatursteuerung verfügt, bei der additiven Fertigung ein kritischer Ausrüstungsgegenstand.

Da es in den meisten Fällen wünschenswert ist, Teile ohne interne Spannung zu produzieren, werden SLM-Teile nach deren Herstellung immer wärmebehandelt. Zusätzliche sorgt die Wärmebehandlung dafür, das mechanische Verhalten zu optimieren, beispielsweise die Bruchdehnung, die Ermüdungsfestigkeit usw.

Zuverlässige mechanische Eigenschaften sind eine wesentliche Grundvoraussetzung für die Serienproduktion von industriellen Komponenten. Aus der Fachliteratur ist bekannt, dass AF wegen der schnellen Abkühlung, Mängeln und inhärenten Oberflächenrauheit neue Herausforderungen bezüglich der Materialeigenschaften begründet. Während die Werte für die Zugfestigkeit für unterschiedliche Wärmebehandlungen und Oberflächenbeschaffenheiten gut beschrieben sind, zeigt sich eine beträchtliche Komplexität, falls die Einflussfaktoren auf die Ermüdungsfestigkeit bestimmt werden müssen.

Durch die ausgezeichnete Festigkeit und Belastbarkeit, kombiniert mit der Korrosionsbeständigkeit, einem geringen spezifischen Gewicht und der Biokompatibilität von Ti-6Al-4V ist diese Titanlegierung ideal geeignet für zahlreiche anspruchsvolle Engineering-Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt sowie im Motorsport, aber auch für die Herstellung von biomedizinischen Implantaten.

Schauen wir uns nun das Ermüdungsverhalten von SLM Ti6Al4V und den Einfluss unterschiedlicher Wärmebehandlungen nach dem SLM-Verfahren an.

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Die Mikrostruktur von SLM Ti6Al4V nach der Wärmebehandlung

Die Mikrostruktur von Ti6Al4V, das im SLM-Verfahren hergestellt wurde, weicht von der Ti6Al4V-Mikrostruktur ab, die im Schmiede- oder Gießverfahren hergestellte Teile kennzeichnet. Sie ist charakterisiert durch eine gerichtete Verfestigung und eine Abkühlung in Fertigungsrichtung. Die gerichtete Verfestigung und Abkühlung lassen die Körner in der Fertigungsrichtung und über die Schichten hinweg größer werden, was zu einer säulenförmigen Mikrostruktur führt. Diese säulenförmige Mikrostruktur verleiht dem nach dem 3D-Druck unbehandelten Material (as-printed) anisotrope mechanische Eigenschaften, wobei die Eigenschaften in der Fertigungsrichtung (z) von den Eigenschaften in den zur Fertigungsrichtung senkrecht stehenden Ebenen (x,y) ziemlich stark abweichen können.

Mikrostruktur 

Abbildung 1
a) Säulenförmige Mikrostruktur nach der Wärmebehandlung zur Spannungsentlastung (SR)
b) Gleichmäßige und feine Mikrostruktur nach der Hochtemperatur-Wärmebehandlung im Vakuum (VT)

Wenn eine Wärmebehandlung zur Spannungsentlastung in Argon bei 380 °C angewendet wird, wird die interne Spannung reduziert, doch die grobe säulenförmige Mikrostruktur bleibt unverändert, siehe Abb. 1a. Andererseits wird bei einer Wärmebehandlung bei einer höheren Temperatur (740 °C für zwei Stunden) in einem Vakuumofen die Eigenspannung eliminiert und die Mikrostruktur zu einer feineren und äquiaxialen Mikrostruktur modifiziert, siehe Abb. 1b.

Das Ermüdungsverhalten von SLM Ti6Al4V nach der Wärmebehandlung

Es wurde ein Programm zum Testen des Ermüdungsverhaltens von SLM Ti6Al4V durchgeführt, bei dem eine standardmäßige rotierende Geometrie für Biegeproben und eine neue Testmethode zur Ermüdungsprüfung mit Miniatur-Prüflingen zum Einsatz kamen. Die neue Methode wurde mit dem Ziel entwickelt, die Kosten von Ermüdungsprüfungs-Programmen zu minimieren (d. h. das Volumen der Mini-Prüflinge beträgt ca. 1/7 im Vergleich zu standardmäßigen Biegeproben) und gleichzeitig eine höhere Gebrauchsflexibilität zu gewährleisten, d. h. die Evaluierung von Oberfläche, Ausrichtung und Kerbwirkungen. Abb. 2 zeigt, dass die neue Testmethode mit der Verwendung von Mini-Prüflingen Ergebnisse zum Ermüdungsverhalten liefert, die mit auf Standard-Prüflingen gewonnenen Daten kohärent sind.

Ermüdungskurven

Abbildung 2
Ermüdungskurven von „as-built“ SLM Ti6Al4V nach der Wärmebehandlung in Vakuum (VT), zum einen mit Daten aus der Verwendung einer standardmäßigen Prüflingsgeometrie und zum anderen mit einer Miniatur-Prüflingsgeometrie.

Der Einfluss der Wärmebehandlung auf das Ermüdungsverhalten wird anhand von Abb. 3 diskutiert. Testdaten für die drei Probestückausrichtungen nach der Wärmebehandlung zur Spannungsentlastung (SR). Die Streuung der Daten ist ziemlich gering und die Ermüdungstrendkurven sind nicht pathologisch. Die Lebensdauer von Prüflingen mit Längsachse, die parallel zur Fertigungsrichtung (Z-Achse) verläuft, weist jedoch eine beträchtliche Abweichung auf und ist kürzer als die der beiden anderen anders ausgerichteten Prüflinge (1 und 2), deren Längsachse senkrecht zur Fertigungsrichtung verläuft. Anhand der säulenförmigen Struktur in Abb. 1.a. wird das Vorliegen eines anisotropen Ermüdungsverhaltens bei mithilfe von Direktem Metall-Lasersintern (Direct Metal Laser Sintering, DMLS) verarbeitetem Ti-6Al-4V nach der Wärmebehandlung zur Spannungsentlastung (SR) nachgewiesen und quantifiziert.

Die Testdaten für die drei Ausrichtungen der Mini-Prüflinge nach der Hochtemperatur-Wärmebehandlung in Vakuum (VT) werden in derselben Kurve in Abb. 3 gezeigt. Die Datenstreuung ist auch hier gering, doch die Datensätze für alle drei Prüflinge sind, unabhängig von der Ausrichtung der Längsachse, ziemlich ähnlich, was ein isotropes Ermüdungsverhalten der äquiaxialen Struktur in Abb. 1b nachweist. Zudem zeigen die repräsentativen Kurven eine signifikante Zunahme der Ermüdungsfestigkeit beim VT-behandelten Material im Vergleich zum schlechtesten SR-behandelten Material.

Gerichtete Ermüdungskurven

Abbildung 3
Gerichtete Ermüdungskurven von „as-built“ SLM Ti6Al4V nach der Wärmebehandlung zur Spannungsentlastung in Argon (SR) und nach der Wärmebehandlung in Vakuum (VT) unter Verwendung von Miniatur-Prüflingen

Ich hoffe, dass Sie diesen Artikel interessant fanden, bei dem es hauptsächlich um das selektives Laserschmelzen (SLM) und den 3D-Druck zur Herstellung von 3D-gedruckten Metallteilen ging. Falls Sie Fragen zur additiven Fertigung oder zu Vakuum-Wärmebehandlungen haben, hinterlassen Sie einfach hier einen Kommentar und ich werde die entsprechende Antwort dazu posten.
Oder werfen Sie auch einen Blick auf die Folien hier, die ich vor kurzem auf der von TAV VACUUM FURNACE organisierten „Metal Additive Manufacturing Conference“ zu diesem Thema präsentiert habe.

Prof. Gianni Nicoletto
Università di Parma und TP Engineering srl
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